Demonstration in Lingen
700 Menschen demonstrieren für die Schließung der Uranfabrik und einen Exportstopp
Es kommt nicht alle Tage, dass in Lingen 700 Menschen zusammen kommen, um gegen die Atomkraft zu demonstrieren. Als wir 2012 zum ersten mal mit einer Sitz- und Luft-Blockade gegen die Brennelementefabrik in Lingen protestierten, war diese Anlage in der Antiatombewegung so gut wie kein Thema – und in der breiten Öffentlichkeit weitestgehend unbekannt. Die regelmäßigen Demonstrationen und Blockadeaktionen in der Innenstadt und an der Brennelemenefabrik haben Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt. Die Demonstration vom vergangenen Samstag schaffte es in die Tagesschau und Die Politiker*innen fühlen sich verpflichtet, Stellung zu nehmen – auch wenn es bei Erklärungen bleibt und man sich – wie auch beim Thema Urananreicherung in Gronau – zum Thema Schließung der Anlage die Verantwortung zwischen Land und Bund hin und her schiebt.
Sehr schön waren in Lingen die bunte Mischung aus den Reihen der Demonstrant*innen und der Besuch aus Belgien, Frankreich und Russland – der Polizeieinsatz kam mir dagegen lächerlich und übertrieben vor. Die bewaffneten Polizisten mit Helm und Schusssichere Weste passten nicht so richtig ins Bild.
Ich habe mich riesig gefreut, die Freund*innen aus Russland wieder zu sehen. Wir arbeiten schon lange zusammen. Wir konnten 2009 indem wir gemeinsam öffentlichen Druck aufbauten und öffentlichkeitswirksame Aktionen durchführten, dem Export von Atommüll von der UAA Gronau nach Russland ein Ende setzen und treffen uns seither immer mal bei Demonstrationen oder Urankonferenzen. Ich bewundere die Stärke der russischen Aktivist*innen, die trotz der gewaltigen Repression (Stichwort „Foreign Agent“ und andere Schweinereien) am Ball bleiben und für eine atomkraftfreie Welt weiter kämpfen. In der nächsten Ausgabe der Zeitschrift Graswurzelrevolution werden ein Artikel über Lingen sowie eine ins Deutsche Übersetzte Niederschrift der Rede eines russischen Aktivisten erscheinen.
Die Demonstration war für Vernetzung sehr gut. Im Anschluss daran berichtete eine französische Aktivistin vom französischen Anti-Atom-Dachverband Sortir du nucléaire über die aktuellen Entwicklungen in Bure. Sie berichtete über die im Sommer begonnenen Bauarbeiten für das künftige atomare Endlager und den Widerstand dagegen (siehe auch der Artikel darüber) und lud dazu ein, den Widerstand zu unterstützen.
Ich übernehme die Pressemitteilung des Trägerkreis der Lingen-Demonstration vom 29.10.2016.
700 fordern bei überregionaler Anti-Atomkraft-Demonstration in Lingen: „Atomkraft jetzt den Saft abdrehen – Uranfabriken schließen!
Brennstoffexporte stoppen!“
Mit einer überregionalen Demonstration am Atomstandort Lingen haben rund 700Menschen am heutigen Samstag, 29. Oktober, ein deutliches Zeichen für
die Notwendigkeit eines umfassenden und sofortigen Atomausstiegs gesetzt. Die Demonstration stand unter dem Motto: „Atomkraftwerken den Saft abdrehen! Brennstoffversorgung aus Lingen und Gronau stoppen!“
Von der Bundesregierung sowie den Landesregierungen in Niedersachsen und NRW forderten die beteiligten Initiativen und Verbände u. a. die sofortige Stilllegung Artikel der niedersächsischen Atomkraftwerke Lingen und Grohnde sowie der Brennelementefabrik Lingen (Niedersachsen) und der Urananreicherungsanlage Gronau (NRW).
Bei der Demonstration in Lingen kamen neben Rednerinnen und Rednern aus den Regionen Emsland, Münsterland und Wendlandauch Mitglieder von Anti-Atomkraft-Organisationen aus Belgien und Frankreich zu Wort, die vom Brennelemente-Export aus Lingen besonders stark betroffen sind. Den weitesten Weg hatte ein Kundgebungsredner aus Russland.Uranfabriken in Gronau und Lingen sofort stilllegen!
Mit der Demonstration in Lingen hat die Anti-Atomkraft-Bewegung die internationale Bedeutung der Atomstandorte Lingen und Gronau, die beide nur ca. 40 Kilometer voneinander entfernt sind, in den öffentlichen Fokus gerückt. Verknüpft werden beide Standorte durch gefährliche Atomtransporte. Die Urananreicherungsanlage in Gronau gehört zum Urenco-Konzern und produziert angereichertes Uran, das international in Brennelementefabriken und Atomkraftwerken zum Einsatz kommt. In der Lingener Brennelementefabrik des französischen Atomkonzerns Areva werden Brennelemente für belgische und französische Schrottreaktoren hergestellt.
Im Aufruf zur Teilnahme an der Demonstration hieß es: „Während die verbleibenden 8 deutschen Atomkraftwerkebis Ende 2022 abgeschaltet werdensollen, bleibt die nukleare Infrastruktur unangetastet. Sowohl die Brennelementefabrik in Lingen (Niedersachsen) als auch die Urananreicherungsanlage in Gronau (NRW) verfügen weiterhin über eine unbefristete Betriebsgenehmigung. Beide Uranfabriken versorgen Atommeiler in aller Welt mit Brennstoff, so auch die besonders maroden Meiler Tihange, Doel, Fessenheim und Cattenom.“
Die Anti-Atomkraft-Bewegungdrängt darauf, die Ausfuhr nuklearer Brennstoffe von Gronau und Lingen an die maroden AKW in Belgien und Frankreich sofort zu unterbinden. Dieser Exportstopp ist – laut einem Gutachten der IPPNW – rechtssicher möglich. Die Anti-Atomkraft-Bewegung fordert zudem, dass die Uranfabriken in Lingen und Gronau in den Atomausstieg einbezogen und sofort stillgelegt werden. Die Forderung nach Stilllegung der beiden Anlagen wird seit diesem Jahr auch von den Umweltministerinnen und Umweltministern aller Bundesländer erhoben.
Reaktorkatastrophe in Lingen, Doel oder Fessenheim hätte verheerende Konsequenzen
Der„Trägerkreis Lingen-Demonstration 29.10.2016“, der die Demonstration organisiert hat, ist darüber erfreut, dass am Samstag besorgte Menschen aus Lingen und Umgebung gemeinsam mit Menschen aus anderen Regionen auf die Straße gegangen sind. Die Gefahren, die von den Atomanlagen in Lingen und anderswo ausgehen, sind nicht auf einen Ort beschränkt. Eine Reaktorkatastrophe in Lingen, Doel oder Fessenheim hätte in weiten Teilen Europas verheerende Konsequenzen. Dies verdeutlicht auch das in den letzten Tagen veröffentlichte Gutachtenzu den möglichen Folgen eines Super-GAUs im belgischen AKW Tihange. Radioaktivität kennt keine Grenzen – und der internationale Widerstand gegen die Atomindustrie und das Engagement für erneuerbare Energien und nachhaltige Arbeitsplätze auch nicht.