Das Insektensterben und der Wald

Warum alte, strukturreiche und naturnahe Wälder auch im Kampf um die letzten Insekten erhalten werden müssen, erfahrt ihr in diesem Text.

Das weltweite Insektensterben ist dramatisch. Nch einer Studie im Fachmagazin Biological Conservation sind in manchen Regionen bis zu 40 Prozent der Insekten vom Aussterben bedroht. Bereits Ende 2017 veröffentlichte das Wissenschaftsjournal PLOS ONE: in Deutschland ist in den letzten 27 Jahren die Biomasse der Insekten um ganze 75 Prozent gesunken. Inzwischen wird das Verschwinden der Insekten als globale Katastrophe erkannt - sind doch viele unserer Nahrungspflanzen von der Bestäubung durch Insekten abhängig. Auch Schutzgebiete sind davon betroffen. Die Studie lässt vermuten, dass dies mit der intensiven Landwirtschaft und deren Pestizidnutzung in den Nahbereichen der Gebiete im Zusammenhang steht. Das ist kaum verwunderlich, werden doch Pestizide zum Teil direkt innerhalb von Naturschutzgebieten genutzt.

Und dennoch bieten alte, naturnahe Wälder mit strukturreichen Waldgesellschaften und einem hohen Totholzanteil eine große Chance für die Population von Insekten aber vor allem auch für deren Vielfalt.

Der Wald übernimmt eine Vielzahl von Funktionen, die sich förderlich auf unsere Insekten auswirken.


  • Er speichert Wasser. Insekten reicht in Hitzeperioden der morgendliche Tau an den Pflanzen und sie sind in der Lage, die letzten Pfützen an frischem Wasser aus den Ritzen der Pflanzen zu schlürfen. Doch in solch langen und intensiven Hitzemonaten, wie zum Beispiel im Sommer 2018, sind diese unterschiedlichen Mikroklimata mit Wasserreserven im Wald und in den Waldrandbereichen für viele Insektenarten die letzte Rettung.

  • Der Wald filtert die Luft. So sind Pflanzen und Tiere im Inneren von Wäldern in einem weitaus geringeren Maße Feinstaubbelastungen und Pestiziden ausgesetzt.

  • Vor allem bietet der Wald durch seine unzähligen Kleinstlebensräume, die ökologischen Nischen, Hunderten von Insektenarten geeignete Plätze zum Wohnen, Fressen, Paaren, Entwickeln, Verstecken und vieles mehr. Vor allem alte Zerfallstadien von Bäumen bieten seltenen Insektenarten, wie beispielsweise dem Eremiten, unverzichtbare Lebensräume. Diese Stadien des Totholzes finden wir nicht in jungen Wäldern. Nur ein vollzähliges Ökosystem ist ein gesundes Ökosystem. Und je älter der Wald, desto größer ist das Artenspektrum.

  • Auch die Honigbiene profitiert vom Wald. Kein Wunder, war sie doch einst ein Waldtier, bevor der Mensch sie an die Imkerei gebunden hat. Doch noch heute liebt die Biene den Wald und nutzt ihn als Lebensraum, wo immer er sich ihr mit einem gewissen Maß an Ursprünglichkeit darbietet. Insbesondere blütenreiche Waldrandbereiche mit ihren fließenden Übergängen von Feld zu Wald nutzt sie. Abrupte Übergänge und dunkle Nadelwälder bieten hingegen einen weniger geeigneten Lebensraum.

  • Bienenarten wie die Blattschneiderbiene leben noch heute gerne vollständig im Wald.

Gleichzeitig ist auch das Überleben des Waldes von den Insekten abhängig.


  • Ameisen sind emsige Bestäuberinnen des Waldes. Überall krabbeln sie drüber und tragen dabei unbeabsichtigt Pollen umher. Aber auch der Transport von Samen und Früchten gehört zu ihren Hauptaufgaben. Über 150 Arten sind davon abhängig, von Ameisen transportiert zu werden und auf oder neben ihren Straßen, geschützt vor anderen Samenfressern, zu wachsen. So tragen Ameisen zur Pflanzenvermehrung und zur Bodenfruchtbarkeit bei und gehören damit zu den wichtigsten Organismen im Wald.

  • Auch die Bienen und andere Fluginsekten, wie Wespen, Schmetterlinge und Käfer, sind wichtig für die Bestäubung des Waldes. Viele Bäume vermehren sich zwar über Windbestäubung, aber andere, wie Ahorn, Hartriegel, Weissdorn, Rosskastanie, Kirsche, Kreuzdorn, Weide, Vogelbeere und Linde sind abhängig von den kleinen fliegenden Tierchen.

  • So wie das Leben des Waldes in weitem Maße von Insekten gesteuert wird, ist dies auch für die Zerfallsprozesse der Fall. Insekten zersetzen zusammen mit Pilzen und Bakterien das Holz, das wieder anderen Insekten und Mikroorganismen danach als Lebensraum dient und so fort.

  • Zu guter letzt dienen die Insekten auch als Nahrungsgrundlage für die nächstgrößeren Tiere, wie Reptilien oder Vögel.

Der Wald ist mit seinen kleinsten Bewohner*innen ein sich selbst erhaltendes System von Nahrungs- und Lebensraumketten. Insekten leben und sterben im Wald und unterstützen den Wald bei Wachstum und Zerfall, so wie er sie beherbergt. Naturnahe, strukturreiche, alte Wälder sind eine wichtige Säule im Kampf um das Überleben der letzten Insekten. Die letzten Insekten sind eine Bedingung für unsere eigene Zukunft.

Wenn wir uns für die Rettung der Insekten einsetzen wollen, gilt es auch, sich für naturnahe Wälder einzusetzen. Dafür steht ROBIN WOOD.

 

Literaturtipps

Wermelinger, Beat (2017): Insekten im Wald – Vielfalt, Funktionen und Bedeutung. Haupt Verlag (https://www.haupt.ch/buecher/natur-garten/Insekten-im-Wald.html) ISBN: 978-3-258-07993-6

Ulrich Mergner: Das Trittsteinkonzept. Euerbergverlag. ISBN: 978-3-00-059743-5