Kletteraktion von ROBIN WOOD

Autofabriken umbauen – aber sozial-ökologisch!

Zur Zukunft des VW-Werks Osnabrück

11. Juni 2025
Mobilität
Annika Fuchs
Mobilitätsreferentin bei ROBIN WOOD
Blog

Die letzten zehn Jahre waren geprägt von einer starken Klimabewegung, in der auch die Verkehrswende eine große Rolle gespielt hat. Es ging um Fragen einer Antriebswende, um Fragen des privaten Mobilitätsverhaltens, es gab Proteste gegen den Bau neuer Autobahnen und gegen die Automobilindustrie. Volkswagen, Mercedes, Audi und Co. sowie ihre Zulieferbetriebe bieten hunderttausende Arbeitsplätze und zahlen Steuern, die im Bundeshaushalt dringend gebraucht werden. Zugleich sind diese Konzerne für hohe CO2-Emissionen in der Produktion sowie in der Nutzung der Autos verantwortlich. Durch den Versuch der Umstellung auf E-Autos kommen vermehrt auch Fragen nach den benötigten Ressourcen wie Lithium ins Spiel, Fragen der globalen Gerechtigkeit.

 

Aktivist*innen von Gruppen wie „VW steht für Verkehrswende“ haben erkannt, dass die Probleme von Klimaschutz und Verkehrswende nicht ohne die Beschäftigten zu lösen sind. Denn diese sind es, die durch ihre Arbeitskraft auch die Macht haben, Unternehmensentscheidungen zu beeinflussen – indem sie beispielsweise in den Streik treten. Die Perspektive der Beschäftigten ist durch die zunehmende Krise der Automobilindustrie noch relevanter geworden: In der Zuliefererindustrie, aber auch bei den „großen Fischen“ wie Volkswagen, steht ein massiver Personalabbau an, ausgelöst durch Absatzkrisen sowie der Veränderung der Produktion durch E-Mobilität. Menschen fürchten also konkret um ihre Arbeitsplätze in einer Branche, die die Klimakrise vorantreibt.

Die Situation ist also bereits recht komplex, als dann mehr oder weniger über Nacht massive Investitionen in die Aufrüstung der Bundeswehr beschlossen werden. 100 Milliarden noch durch die alte Bundesregierung, nun eine Aussetzung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben. Dadurch ist ein neuer Player der deutschen Industrie auf den Plan getreten: Die Rüstungsindustrie. Ein nie dagewesener Boom bei Rheinmetall und Co., neue Arbeitsplätze, steigende Aktienkurse. Eine industriepolitische Win-Win-Situation, ermöglichen doch staatliche Investitionen nun den Rüstungskonzernen, zu expandieren. Beschäftigte der Automobilindustrie werden übernommen, und auch Industrieanlagen sind ins Blickfeld der Rüstungskonzerne gelangt.

Ein besonders brisantes Beispiel ist das Volkswagenwerk Osnabrück. Hier produzieren etwa 2.300 Beschäftigte Fahrzeuge – doch die Autoherstellung durch VW ist nur noch bis 2027 gesichert. Folglich sorgen sich auch hier die Beschäftigten um die Zukunft ihrer Jobs. Zugleich hat ein Tauziehen um die Zukunft des Werks und der Produktion begonnen. Im Frühjahr 2025 gibt es immer wieder Presseberichte, dass Rheinmetall Interesse an der Übernahme des Werks bekundet.

ROBIN WOOD hat deshalb im Mai 2025 begonnen, sich in diese Debatte einzubringen. Wir finden: Es braucht eine zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung um die Frage, welche Produkte hergestellt werden sollen. Dabei spielt die Perspektive der Mitarbeitenden eine zentrale Rolle, aber auch auf kommunaler Ebene ist die Frage relevant, welche Produkte im eigenen Umfeld hergestellt werden sollen. Osnabrück rühmt sich als „Friedensstadt“, viele zivilgesellschaftliche Gruppen bemühen sich um Friedens-, Sozial- und Klimapolitik.

ROBIN WOOD möchte der Erzählung, es gebe nur die Optionen des Jobverlusts oder der Herstellung von Rüstungsgütern, etwas entgegensetzen. Ein gutes Beispiel kommt aus Italien, genauer gesagt aus Florenz. Dort wehren sich die Beschäftigten des ehemaligen Autowerks GKN seit Jahren gegen die Schließung. Sie haben sich organisiert und eine Genossenschaft gegründet, um die Industrieanlage zu erhalten und dort Lastenräder und Solar-Module zu produzieren. Dafür haben sie eng mit der italienischen Klimabewegung zusammengearbeitet und bei Demonstrationen zehntausende Personen hinter sich versammelt. Auch in Wolfsburg wurden während des Projekts VW steht für Verkehrswende Ideen erarbeitet, wie die Produktion auch auf zivile Weise umgestellt werden könnte. Denn es ist hinlänglich bekannt, dass die Industriearbeiter*innen über hohes technisches Know-How verfügen und es für sie keine Schwierigkeit darstellen würde, statt Autos – oder Waffen – Solaranlagen, Busse und Bahnen zu produzieren.

In Osnabrück stand diese Debatte im Sommer 2025 noch am Anfang. Was es für eine echte Perspektive jenseits der Rüstungsindustrie bräuchte, ist auch ein politischer Kurswechsel: Die einseitige Finanzierung von Aufrüstung kann keine sozial-ökologische Konversion nach sich ziehen, solange es keine Nachfrage nach klimafreundlicheren und zivilen Produkten gibt. Doch die gesellschaftliche Notwendigkeit ist da: Wir beobachten statt einem massiven Ausbau des ÖPNV aktuell eher die Einstellung von Bus- und Bahnverbindungen, Personalmangel und ein schlechtes Angebot behindern eine Mobilitätswende massiv. Die Investitionen in die Bahn werden zwar verfolgt, doch aktuell stehen die Investitionen in die Infrastruktur erneut unter Finanzierungsvorbehalt.

Wir müssen deshalb zweigleisig Druck aufzubauen und das Gespräch zu suchen: Einerseits braucht es eine gesellschaftliche Debatte in Osnabrück und anderswo über die Frage, was Menschen eigentlich produzieren möchten. Andererseits steht die Frage im Raum, wie das realisierbar wird, wie gesellschaftliche Prioritäten wieder auf ein gutes Leben für alle verschoben werden können, damit wir nicht nur Backlashs erleben, sondern an einer sozial-ökologischen Transformation arbeiten können. Konkrete Leuchtturmprojekte sind in Zeiten, in denen die Klimagerechtigkeitsbewegung geschwächt und die Verkehrswendebewegung weniger sichtbar sind, umso wichtiger. Denn auch in politisch schwierigen Zeiten möchten wir weiter deutlich machen: Unsere gesellschaftliche Utopie ist basisdemokratisch, ökologisch und sozial gerecht.

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