Etappensieg für den Hambacher Wald

Der Hambacher Forst ist zu einem internationalen Symbol für den Anti-Kohle-Widerstand geworden. Der alte und artenreiche Wald wird vom Stromkonzern RWE gerodet – um dem Braunkohle-Tagebau Platz zu machen. Seit Jahren kämpfen entschlossene Waldbesetzer*innen, Umweltverbände und engagierte Bürgerinitiativen für seinen Erhalt. Jetzt sieht es erstmals so aus, als könnte die Rodung des verbleibenden Waldes verhindert werden.

Die Geschichte des Hambacher Forsts geht bis zur letzten Eiszeit zurück. Seitdem sich die Gletscher vor 12.000 Jahren aus Mitteleuropa zurückgezogen haben, war dieses Gebiet durchgängig bewaldet. Mit seinen teilweise über 300 Jahre alten Bäumen bietet der Wald gefährdeten Tier- und Pflanzenarten eine Heimat. Unter anderem kommen hier die streng geschützten Bechstein Fledermaus und die Haselmaus vor. Nach EU-Recht ist jegliche Beschädigung der Lebensräume dieser Tiere verboten. Als Hainbuchen-Stieleichen-Maiglöckchen-Wald ist der Hambacher Forst eines der größten Vorkommen dieses besonderen Lebensraumtyps in Europa. Das Schicksal dieses beeindruckenden Waldes: Er wächst auf einem Braunkohlevorkommen.

Seit den siebziger Jahren rodet Stromriese RWE den Wald für die Erweiterung seines Hambacher Braunkohle-Tagebaus. So ist schon jetzt ein Großteil des Hambacher Forsts zerstört worden. Dort, wo einst Wald war, ist jetzt ein 85 Quadratkilometer großes, über 450 Meter tiefes Loch. Eine tote Mondlandschaft, in der gigantische Maschinen die Kohle abtragen. Ganze Dörfer rund um den Tagebau werden umgesiedelt und nach und nach abgerissen. Doch im verbleibenden Wald gibt es immer mehr Leben.

Im Frühjahr 2012 besetzte eine Gruppe Aktivist*innen Bäume im Hambacher Forst, um direkt etwas gegen den Braunkohleabbau und die Rodung des Waldes zu unternehmen. Fünf Jahre, drei Räumungen und Wiederbesetzungen später leben so viele Menschen wie noch nie zuvor in der Besetzung. Mittlerweile sind 30 Baumhäuser in mehreren Dörfern über den Wald verteilt, dazu kommt ein Camp auf einer angrenzenden Wiese. Mit ihrem Durchhaltevermögen ist es den Aktivist*innen des Hambacher Forsts gelungen weit über das Rheinland hinaus Aufmerksamkeit dafür zu schaffen, dass hier ein lebendiger Wald für eine über­holte und klimaschädliche Form der Energie­gewinnung vernichtet wird. Der ‚Hambi‘ wurde zu einem international bekannten Symbol des Widerstands gegen die zerstörerischen Auswirkungen des fossilen Kapitalismus.
Die Aktivist*innen im Forst sind alles andere als eine einheitliche Gruppe – jede*r spricht hier nur für sich. Und trotzdem: Dass wirkliche Klimagerechtigkeit nur mit einem grundsätzlichen gesellschaftlichen Wandel gelingen kann, darauf können sich hier wohl die meisten einigen. Entsprechend ist die Besetzung nicht nur eine direkte Aktion gegen den Braunkohleabbau, sondern auch ein Ort, an dem andere Formen des Zusammenlebens und der Selbstorganisation ausprobiert werden können.

Mit ihrem Anliegen sind die Wald­besetzer*innen nicht allein. Engagierte Bürgerinitiativen und Anwohner*innen setzen sich seit Jahren gegen den Tage­bau und die Rodung des Hambacher Forsts ein. So finden beispielsweise monatlich geführte Waldspaziergänge statt, bei denen die Besucher*innen sich über die Geschichte des Waldes und des Widerstands informieren können. Die lokale Unterstützung ist zentral für das Gelingen der Waldbesetzung – ob in Form von Essen, Geldspenden, warmen Duschen oder Öffentlichkeitsarbeit.

RWE ist fest entschlossen zu roden und zu räumen

In diesem Winter spitzte sich die Auseinandersetzung um den Hambacher Forst deutlich zu. Während die Forderungen nach einem Ausstieg aus der CO2-intensiven Braunkohleverstromung in Deutschland immer lauter werden, hatte RWE geplant, den verbliebenen alten Teil des Waldes komplett zu roden und alle Baumhausdörfer räumen zu lassen. Hier zeigt sich eindrücklich die dominante Logik fossiler Energiegewinnung, die auf kurzfristigen privaten Profit abzielt und die Kos­ten verallgemeinert. Der Hambacher Forst ist zu einem Kristallisationspunkt des Konflikts zwischen diesem alten System und der wachsenden Zahl seiner Kritiker*innen geworden. Entsprechend breit ist die Aufmerksamkeit und die Unterstützung des Widerstands.

Gemeinsam mit den lokalen Bürgerinitiativen protestierten tausende Menschen vor Ort mit Menschenketten und Mahnwachen. Umweltverbände machten sich gegen die Rodung des Waldes stark. In verschiedenen Städten bundesweit gründeten sich Hambi-Soli-Gruppen, um Infoveranstaltungen und Aktionen zu planen. Viele neue Aktivist*innen zogen das erste Mal in den Wald – und bereiteten sich gemeinsam auf die Rodungssaison vor.
Die Medien berichten regelmäßig und häufig sehr kritisch über die drohenden Baumfällungen.

Gerichtliche Entscheidung schafft Atempause für Wald und Aktivist*innen

In dieser angespannten Situation gelang dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) mit einer Klage ein Etappensieg für den Erhalt des Hambacher Forsts. Der Verband nutzte das seit Juni 2017 bestehende erweiterte Klagerecht für Umweltverbände, um gegen die Rodungen vorzugehen. Der BUND argumentierte, dass der Hambacher Forst nach EU-Recht geschützt sein müsse und die Erteilung der Rodungsgenehmigung nicht nach Vorschrift geschehen sei. Nachdem zunächst Ende November diese Klage vom Verwaltungsgericht in Köln abgewiesen worden war und RWE unverzüglich mit den Baumfällungen begonnen hatte, konnte sich der BUND in einem Eilverfahren beim Oberverwaltungsgericht Münster durchsetzen. Seit dem 28.11.2017 darf RWE nicht mehr im Hambacher Forst roden. Bevor eine weitere Erlaubnis ausgestellt werden wird, soll ein Gutachten beurteilen, ob der Hambacher Forst doch nach EU-Recht geschützt werden müsste. Da Rodungsarbeiten nur noch bis zu der im März beginnenden Vegetationsperiode durchgeführt werden können, kann frühestens im Herbst 2018 wieder gefällt werden.

Damit sieht es so aus, als gäbe es momentan für den Wald, die Aktivist*innen und ihre Unterstützer*innen eine hart erkämpfte Atempause. Und trotzdem ist es gerade jetzt wichtig die Aufmerksamkeit und den Druck aufrechtzuerhalten. Es ist lange bekannt, wie eng die Beziehung zwischen RWE und Politik vor allem in Nordrhein-Westfalen ist.
Der Stromriese gilt als eines der politisch einflussreichsten Unternehmen in Deutschland. Ohne öffentlichen Druck wird weder der Hambacher Forst langfristig geschützt, noch der dringend notwendige Kohleausstieg in Deutschland beschlossen werden. Der BUND hat schon angekündigt, weiter juristisch gegen die Rodung des Hambacher Forsts vorzugehen. Die Bürgerinitiativen vor Ort werden ihre engagierte Arbeit weiterführen. Die Aktivist*innen im Hambacher Forst sind entschlossen, den Wald erst zu verlassen, wenn sein dauerhafter Erhalt gesichert ist und er vollständig sich selbst überlassen wird. Dabei wird jede Hand gebraucht! Ob durch Sach- oder Geldspenden, das Organisieren von Info-Abenden in möglichst vielen Städten oder die Mithilfe beim Bauen weiterer Baumhäuser – es gibt unterschiedliche Formen, gegen die Rodung des Hambacher Forsts überall aktiv zu sein.
 
Lasst uns gemeinsam deutlich machen: Braunkohle muss im Boden bleiben – und der Hambi bleibt!