Debattenreihe: „Climate Justice how?“

Das Pariser Weltklimaabkommen vom Dezember 2015 formuliert ein hoch ambitioniertes Ziel: die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1.5-Grad. Wird dieses Ziel ernst genommen, so legt es eine klare Begrenzung der Menge, der ab dem heutigen Zeitpunkt global emittierten Treibhausgase fest.
Doch wo stehen wir auf dem Weg zum 1.5-Grad-Ziel, was wäre erforderlich, um dieses Ziel zu erreichen, und was wird aktuell tatsächlich getan? In unserer Debattenreihe wollen wir diskutieren, welche Konsequenzen sich aus dem 1.5-Grad-Ziel und der aktuellen realen politischen Situation für die politische Praxis einer globalen Bewegung für Klimagerechtigkeit ergeben. Welche Ziele, Prioritäten und Forderungen sind für die Klimagerechtigkeitsbewegung aktuell angemessen?

 

  • Debattenauftakt
    Gerrit Hansen: "Denn sie wissen nicht,was sie tun. Das 1.5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens fordert Politik und Umweltbewegung heraus, ihre bisherigen Ansätze radikal zu überdenken." (erschienen in Heft 130 / 3.2016)

    • "Als das sogenannte 1.5-Grad-Ziel im Dezember letzten Jahres auf der Klimakonferenz der Vereinten Nationen in den Vertrag von Paris aufgenommen wurde, war der Jubel groß im Lager der verletzlichen Staaten und ihrer UnterstützerInnen aus der NGO- und Think-Tank-Szene. Offen bleibt jedoch die Frage,wie diese Verschärfung der Ambition mit der realen politischen Situation in Einklang zu bringen ist."
       
  • Ulrich Brand: "Klimapolitik für eine solidarische Lebensweise" (erschienen in Heft 132 / 1.2017)

    • "Das Desaster der Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA darf nicht zu einer falschen Gegenüberstellung der vermeintlich progressiven Klimapolitik nach Paris versus den nun in den USA und anderswo gestärkten Klimaskeptikern und Bütteln der auf fossile Ressourcen setzenden Konzernen führen. So wichtig es ist, dass im Rahmen der Klimarahmenkonvention auf internationaler Ebene Regeln und Ziele vereinbart werden, so realistisch muss gesagt werden: Die bisherige Klimadiplomatie ist politisch weitgehend gescheitert."
       
  • Johannes Reis und Christiane Gerstetter: "Über das System reden, nicht über Zahlen!" (erschienen in Heft 132 / 1.2017)

    • "Die internationalen Klimaverhandlungen haben vor gut einem Jahr mit der Vereinbarung von relativ ambitionierten Zielen überrascht, darunter das Ziel, den Temperaturanstieg auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Allerdings ist aus Sicht sozialer Bewegungen nicht nur zu kritisieren, dass den vollmundigen Ankündigungen zu wenige Taten folgen. Es ist auch zu befürchten, dass viel über technische Emissionspfade geredet wird und wenig darüber, wie ein gutes Leben für alle erkämpft und eine sozial-ökologische Transformation eingeleitet werden kann.
       
  • Inken Behrmann: "Das 1,5 Grad-Ziel umsetzen - Wir fangen schon mal an" (erschienen in Heft 133 / 2.2017)

    • "Als im Dezember 2015 auf dem UN-Klimagipfel das „Paris Agreement“ beschlossen wurde, feierte die Welt: Staatschefs klopften sich auf die Schulter, einige Umweltverbände wie Germanwatch und der WWF lobten die Delegierten und medial wurde der „diplomatische Erfolg“ des Gipfels gepriesen. Mit der Verabschiedung eines Vertragstextes, der dem Kyoto-Protokoll nachfolgt und ambitionierte Klimaziele formuliert, hatte seit dem gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen kaum noch jemand gerechnet. Aber besser hätte man das eigentliche Scheitern der Klimadiplomatie nicht kaschieren können: Denn wenn Staatschefs sich dafür auf die Schulter klopfen, dass sie die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C beschließen und gleichzeitig nationale politische Maßnahmen zusagen, die auf eine Erwärmung von über 3°C hinaus laufen, bleibt der diplomatische Erfolg ohne materielle Relevanz."
  • Sabine Minninger: "1.5 to stay alive - Die Bedeutung des 1.5°C-Limits für den Inselstaat Tuvalu" (erschienen in Heft 134/3.2017)

    • „Schon vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Erwärmung ist Tuvalus Zukunft düster. Jede weitere Temperaturerhöhung wird den vollständigen Untergang Tuvalus bedeuten … . Für die kleinen Inselstaaten, für die am wenigsten entwickelten Länder und für viele andere ist ein globales Temperaturziel von unter 1.5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau entscheidend. Ich appelliere an die Europäer, ihre Obsession mit 2 Grad sorgfältig zu prüfen. Selbstverständlich müssen wir die beste Zukunft anvisieren, die wir erreichen können, und nicht auf einen schwachen Kompromiss. Lasst es uns für Tuvalu tun. Denn wenn wir Tuvalu retten, retten wir die Welt.“
  • Georg Kössler und Simon Straub: „Am Ende entscheidet das Plenum - Schnittstellen zwischen parlamentarischer und außerparlamentarischer Klimabewegung" (erscheint in Heft 135/4.2017)

    • "2015 sah es kurzzeitig so aus, als würde die Kohlekraft in Deutschland einen kapitalen Rückschlag erleiden. Besonders alte Kohlekraftwerke, so schlug das Wirtschaftsministerium vor, sollten in ihrer Laufzeit begrenzt werden. So sollten die Klimazielen der Bundesregierung für das Jahr 2020 noch erreichbar sein. Auch bei Umwelt-NGOs und sogar der breiteren Klimabewegung traf der Vorschlag dieses „Klimabeitrags“ auf großen Zuspruch. Doch es kam am Ende anders: Ein Aufbäumen des fossilen Imperiums aus Industrielobby und Politik wehrte den Vorschlag ab. Seitdem gibt es keine ambitionierten Bemühungen, die 2020-Reduktionsziele zu erreichen. Die entscheidende Frage für die verbleibenden Jahre bis 2020 ist deshalb, ob es gelingt ein tiefgreifendes Notprogramm zur Wiederbelebung der Klimapolitik zu etablieren. Die Klimabewegung muss dazu auch parlamentarisch präsent bleiben."
  • Paula Gioia und Katrina McKee: "Ernährungssouveränität jetzt! Agrarwende statt Klimawandel" (erscheint in Heft 135/4.2017)

    • "Dass die globale Landwirtschaft zu einem maßgeblichen Anteil für den Ausstoß von Treibhausgasen und damit auch den Klimawandel verantwortlich ist, ist heute weithin bekannt. Schätzungen des Weltklimarats IPCC gehen weltweit von etwa einem Drittel aus. Eine Studie der NGO GRAIN ordnet dem industriellen Ernährungssystem sogar bis zu 50 Prozent der menschenverursachten Treibhausgasemissionen zu, indem sie neben der unmittelbaren Produktion auch die Verarbeitung, Kühlung und Müllproduktion, den Transport und die Folgen der anhaltenden Entwaldung bei der Erschließung neuer Anbauflächen einrechnet. Weithin bekannt ist auch, dass Bäuerinnen und Bauern weltweit nicht nur zu den am stärksten Betroffenen der Erderwärmung und ihrer Folgen zählen, sondern sich auch dafür stark machen, hieran etwas zu ändern."