Alarmstufe Rot in den Niederlanden

In Groningen wird bereits seit den 1960er Jahren nach Gas gebohrt. Die Firmen Royal Dutch Shell und ExxonMobil fördern es hier gemeinsam als die NAM (Niederländische Erdölgesellschaft). Das Gas gehört dem niederländischen Staat und machte diesen zum größten Erdgasexporteur Europas. Im Jahr 2016 bezog Deutschland 30 Prozent seiner Erdgasimporte aus den Niederlanden. Die niederländische Wirtschaft ist in großen Teilen abhängig von den Gewinnen der Gasförderung und auch die niederländische Wärme- und Heizproduktion hängt von Gas ab. Alles in den Niederlanden ist auf Erdgas ausgelegt – ein Umstand, der „Dutch Disease“ genannt wird.

Wie auch in Deutschland wird Erdgas hier als ‚klimafreundliche‘ Übergangstechnologie und Alternative zu Kohle oder Öl angepriesen. Doch auch Erdgas ist ein fossiler Energieträger, dessen Verbrennung den Klimawandel weiter vorantreibt. Der Hauptbestandteil von Erdgas, Methan, ist sogar ein besonders starkes Treibhausgas. Neue Studien zeigen, dass es überall im Verlauf des Förder-, Transport- und Verbrennungsprozesses austritt und die Gesamtklimabilanz am Ende sogar schlechter sein kann als für Kohle.

Erdgas ist keine Lösung!

Auch lokal wirkt sich die Gasförderung negativ aus. Die massive Förderung im Groninger Feld sorgt seit Beginn in den 1960ern immer wieder für kleine Erdbeben. Diese Erdbeben werden sowohl durch konventionelle Förderung als auch durch Fracking verursacht. Die resultierenden Beben sind normalerweise unter der Stärke 3 auf der Richterskala. Sie sind kaum spürbar, hinterlassen allerdings durch ihre jahrzehntelange Regelmäßigkeit deutliche Spuren an den Gebäuden der Groninger*innen. Außerdem hat die Gasförderung zu einem Absinken des Bodens bis zu einem Meter geführt. Die resultierenden Risse und Einsturzgefahr für Wohnhäuser lassen die Betroffenen verzweifeln. Denn die NAM kommt nur zögerlich Kompensations­forderungen nach, verweist häufig auf andere Stellen oder dementiert sogar, dass die Schäden durch die Erdgasförderung entstanden seien. Bis heute sind bereits 100.000 Haushalte betroffen, ganze Dörfer sind unbewohnbar.

Ein Beben der Stärke 3,4 im Januar 2018 motivierte zehntausende Menschen beim Groninger Fackelzug mitzulaufen und ihrem Protest Ausdruck zu verleihen. Bereits 2012, nach dem bis dato stärksten Beben mit einer Stärke von 3,6, war es in Groningen zu lauten Protesten gegen weitere Förderung gekommen. Daraufhin wurde die Fördermenge halbiert und die Regierung ließ verlauten, dass man im Jahre 2030 die Förderung im Groninger Feld stoppen werde. Eine Farce, denn das Feld wird bis dahin kaum noch ergiebig sein. Kompensationen oder Hilfsangebote an die lokale Bevölkerung vermieden die Behörden, und die Erde wird aufgrund der Sedimentsbewegungen noch Jahre weiter beben.

Die Menschen in Groningen wollen dies so nicht hinnehmen und protestieren immer wieder mit kleinen Aktionen gegen die Gasförderung. In den letzten Monaten traten sogar drei Menschen in Hungerstreik. Das Aktionsbündnis Code Rood hat sich entschlossen, den lokalen Kampf mit einem Protestcamp und einer Aktion zivilen Ungehorsams zu unterstützen.
Die Aktion soll am 28. August, dem Groninger Befreiungstag, stattfinden. Das Aktionsbild sieht eine Blockade vor, durch die die Gasförderung gestoppt werden soll. Es soll ein buntes, solidarisches Zeichen dafür sein, dass es genug ist. Im Oktober werden die Förderverträge zwischen der NAM und der Politik neu verhandelt. Ziel der Aktion ist es den Druck auf die Unterhändler*innen zu erhöhen und so eine faire Behandlung zugunsten der Betroffenen zu erwirken. Außerdem fordert Code Rood von der niederländischen Regierung einen Alternativplan, um eine nachhaltige Energieversorgung in den Niederlanden künftig sicherzustellen. Denn bisher ist der Plan der Regierung, nach 2030 Gas aus dem Ausland zu importieren, statt einen Strukturwandel anzustreben, der die „Dutch Disease“ überwinden könnte.