Brief bezüglich der Nutzung von Wäldern für die Bioenergie

(11. Februar 2021)

An Präsident Biden, Präsidentin von der Leyen, Präsident Michel, Premierminister Suga und Präsident Moon

Die unterzeichnenden Wissenschaftler*innen und Ökonom*innen danken jedem von Ihnen für die ehrgeizigen Ziele, die Sie für die Vereinigten Staaten, die Europäische Union, Japan und Südkorea angekündigt haben, um bis 2050 Kohlenstoffneutralität zu erreichen. Die Bewahrung und Renaturierung von Wäldern sollte ein Schlüsselinstrument sein, um dieses Ziel zu erreichen und gleichzeitig dazu beitragen, unsere globale Biodiversitätskrise zu bewältigen. Wir bitten Sie eindringlich, nicht sowohl die Klimaziele als auch die biologische Vielfalt der Welt zu schwächen, indem Sie von der Verbrennung fossiler Brennstoffe auf die Verbrennung von Bäumen zur Energieerzeugung umsteigen.

Seit Jahrzehnten erzeugen die Hersteller von Papier- und Holzprodukten aus ihren Prozessabfällen Strom und Wärme als Nebenprodukte. Diese Nutzung führt nicht zu einem zusätzlichen Holzeinschlag. In den letzten Jahren entstand der gefährliche Trend, ganze Bäume zu fällen oder große Teile des Stammholzes für die Bioenergie abzuzweigen, wodurch Kohlenstoff freigesetzt wird, der sonst in den Wäldern gebunden bliebe.

Das Ergebnis dieser zusätzlichen Holzernte ist ein großer initialer Anstieg der Kohlenstoffemissionen, wodurch eine "Kohlenstoffschuld" entsteht, die im Laufe der Zeit immer mehr zunimmt, je mehr Bäume für die weitere Bioenergienutzung abgeholzt werden.

Durch das Nachwachsen von Bäumen und die Verdrängung fossiler Brennstoffe kann diese Kohlenstoffschuld eines Tages abgebaut werden, aber das Nachwachsen braucht Zeit, die die Welt nicht hat, um das Problem des Klimawandels zu lösen. Wie zahlreiche Studien gezeigt haben, wird die Verbrennung von Holz die Erderwärmung für Jahrzehnte bis Jahrhunderte verstärken. Das gilt selbst dann, wenn das Holz Kohle, Öl oder Erdgas ersetzt.

Die Gründe dafür sind fundamental. Wälder speichern Kohlenstoff - etwa die Hälfte des Gewichts von trockenem Holz besteht aus Kohlenstoff. Wenn Holz geschlagen und verbrannt wird, geht in der Regel viel und oft mehr als die Hälfte des lebenden Holzes der gefällten Bäume bei der Abholzung und Verarbeitung verloren, bevor es Energie liefern kann, wodurch der Atmosphäre Kohlenstoff hinzugefügt wird, ohne fossile Brennstoffe zu ersetzen.

Die Verbrennung von Holz ist außerdem kohlenstoff-ineffizient, so dass bei der Verbrennung von Holz zur Energiegewinnung mehr Kohlenstoff durch die Schornsteine ausgestoßen wird als bei der Verwendung fossiler Brennstoffe.

Insgesamt wird bei der Verwendung von Holz für jede erzeugte Kilowattstunde Wärme oder Strom wahrscheinlich zwei- bis dreimal so viel Kohlenstoff in die Luft abgegeben wie bei der Verwendung fossiler Brennstoffe.

Eine beschleunigte globale Erwärmung für die nächsten Jahrzehnte ist gefährlich. Sie bedeutet mehr unmittelbare Schäden durch mehr Waldbrände, einen Meeresspiegelanstieg und Perioden extremer Hitze in den nächsten Jahrzehnten. Sie bedeutet auch anhaltende Schäden durch ein rascheres Schmelzen der Gletscher und Auftauen des Permafrosts sowie eine Überhitzung und eine Übersäuerung der Weltmeere, die auch dann nicht rückgängig gemacht werden können, wenn wir den Kohlenstoff in Jahrzehnten entfernen.

Staatliche Subventionen für die Verbrennung von Holz sind ein doppeltes Klimaproblem, weil diese falsche Lösung eine echte Kohlenstoffreduzierung ersetzt. Unternehmen verlagern die Nutzung fossiler Energien auf Holz, was die Erwärmung verstärkt, statt einer Umstellung auf Solar- und Windenergie, was die Erwärmung wirklich verringern würde.

An einigen Orten, darunter Japan und Französisch-Guayana, gibt es die Überlegung, nicht nur Holz zur Stromerzeugung zu verbrennen, sondern auch Palm- oder Sojabohnenöl. Die Herstellung dieser Brennstoffe erfordert eine Ausweitung der Palm- oder Sojaproduktion, die zur Rodung von kohlenstoffreichen Tropenwäldern und zur Minderung ihrer wichtigen Kohlenstoffsenke führt, was beides Kohlenstoff in die Atmosphäre freisetzt.

"Nachhaltigkeitsstandards" für die Bewirtschaftung von Wäldern oder Pflanzenöl können an diesen Ergebnissen nichts ändern. Nachhaltige Bewirtschaftung ermöglicht, dass die Holzbewirtschaftung irgendwann ihre Kohlenstoffschulden zurückzahlt. Sie kann allerdings nichts an der beschleunigten Erwärmung über Jahrzehnte oder sogar Jahrhunderte ändern. In ähnlicher Weise verstärkt jede erhöhte Nachfrage nach Pflanzenöl den globalen Druck, mehr Wälder abzuholzen, der bereits durch die steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln entsteht.

Länder für Emissionen aus Landnutzungsänderungen verantwortlich zu machen, ist zwar wünschenswert, kann aber Gesetze, die die Verbrennung von Holz als kohlenstoffneutral behandeln, nicht korrigieren. Denn diese nationalen Verantwortlichkeiten können nicht die durch die Gesetze geschaffenen Anreize für Kraftwerke und Fabriken ändern, Holz zu verbrennen. Ebenso wenig würde die Festsetzung einer nationalen Verantwortlichkeit für die Emissionen aus der Dieselverbrennung, etwas an den Gesetzen ändern, welche aktuell die vermehrte Dieselverbrennung im Lastverkehr fördern, da auch hier die fälschliche Annahme der Klimaneutralität von Diesel zugrundeliegt. Sowohl die Verträge, die die nationale Verantwortung für das Klima festlegen, als auch die Energiegesetze der einzelnen Länder, die sie umsetzen, müssen die Klimaauswirkungen der Maßnahmen, die sie fördern, genau berücksichtigen.

Ihre zukünftigen Entscheidungen haben große Konsequenzen für die Wälder der Welt, denn wenn die Welt nur 2 Prozent ihrer Energie zusätzlich aus Holz gewinnen würde, müsste sie ihre kommerzielle Holzernte verdoppeln. Es gibt gute Belege dafür, dass der Ausbau der Bioenergie in Europa bereits zu einer stark erhöhten Abholzung dort geführt hat. Diese Geschäftsmodelle schaffen auch ein System, das tropische Länder dazu ermutigt, mehr von ihren Wäldern abzuholzen - wie es mehrere Länder bereits angündigten - und die Ziele der weltweit verabschiedeten Waldabkommen zu untergraben.

Um derlei Schäden zu vermeiden, müssen Regierungen Subventionen und andere Anreize beenden, die heute bereits für die Verbrennung von Holz bestehen, sei es aus ihren eigenen Wäldern oder aus anderen. Die Europäische Union muss es unterlassen, die Verbrennung von Biomasse in ihren Standards für erneuerbare Energien und in ihrem Emissionshandelssystem als kohlenstoffneutral zu behandeln. Japan muss aufhören, Kraftwerke zu subventionieren, die Holz verbrennen. Und die Vereinigten Staaten müssen es vermeiden, Biomasse als kohlenstoffneutral oder kohlenstoffarm zu bewerten, während die neue Regierung Klimaregeln ausarbeitet und Anreize zur Reduzierung der globalen Erwärmung schafft.

Bäume sind lebendig wertvoller als tot, sowohl für das Klima als auch für die Artenvielfalt. Um zukünftige Netto-Null-Emissionsziele zu erreichen, sollten Ihre Regierungen daran arbeiten, Wälder zu erhalten und wiederherzustellen und nicht sie zu verbrennen.

Peter Raven, emeritierter Direktor der Missouri Botanical Society, St. Louis, Missouri USA, Gewinner der U.S. National Medal of Science, ehemaliger Präsident der American Association for Advancement of Science

Alle weiteren Unterzeichnenden und der Originalbrief in englischer Sprache befindet sich hier als Dropboxlink.