Kein Konsens ohne Klimaschutz!

Die Nachricht verbreitete sich in Windeseile, Medien überschlugen sich mit Berichten, und viele versuchten eilig, die Samstagmorgen veröffentlichten Beschlüsse zu lesen und zu kommentieren. Ausstieg 2038! 40 Milliarden für den Strukturwandel! Entschädigungen für die Betreiber von Kohlekraftwerken! Kompensationen für eventuell steigende Strompreise!

Es ist verheerend: Die Kommission gibt dem Klimakiller Nr. 1 noch 19 Jahre weitere Jahre, das Klima zu zerstören. Dieser Vorschlag tritt Klimagerechtigkeit mit Füßen. Schon jetzt werden die Lebensgrundlagen von Menschen auf der ganzen Welt durch Extremwetterereignisse und steigende Meeresspiegel gefährdet. Auch im reichen Industrieland Deutschland ist der Hitzesommer 2018 mit seinen dramatischen Folgen für die Landwirtschaft vielen noch eindrücklich im Gedächtnis. Das Ende der Kohle bis 2038 hinauszuzögern, geht vollkommen an der Realität des Klimawandels vorbei.

Was einige jetzt als Erfolg für das Klima verkaufen wollen, ist in Wahrheit ein Erfolg der Kohleindustrie und derjenigen, denen Klimaschutz schon immer ein Dorn im Auge war. Petra Pinzler schreibt in der Zeit, „es ist ein Erfolg der neuen Umweltbewegung, dass Deutschland aus der Kohle aussteigt“. Ja, es ist der Erfolg der wachsenden Anti-Kohle Bewegung, dass Politik und Wirtschaft nicht länger an dem Thema Kohleausstieg vorbei kommen. Es ist unser gemeinsamer Erfolg, dass die überwältigende Mehrheit in Deutschland einen Kohleausstieg befürwortet. Auch vor der Kommission war klar: Der Ausstieg aus der Kohle wird kommen. Aber es ist der Erfolg der Pro-Kohle-Industrie, der Bremser und Verzögerer, dass mit dem Abschlussbericht jetzt ein katastrophales Ausstiegsdatum als gesellschaftlicher Konsens verkauft werden kann und sogar die Zustimmung der Umweltverbände bekommen hat.

Aus guten Gründen war die Kohlekommission von Anfang an starker Kritik aus der Klimabewegung ausgesetzt. Was viele als einenVersuch der Bundesregierung gesehen hatten, der wachsenden Anti-Kohle Bewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen und die Interessen der Industrie nicht zu verletzen, hat sich nun bewahrheitet. Schon der sperrige Name „Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ verdeutlicht den Schwerpunkt der Kommission: nichts mit Klimawandel, nichts mit Klimaverantwortung. Nicht ein Kohleausstieg gemäß den Zielen von Paris ist angestrebt, sondern ein Ausstieg, der zugeschnitten ist auf die Bedürfnisse der Kohlebundesländer und der Industrie. Deren Interessen waren mit den beiden Vorsitzenden und Kohlebefürwortern Matthias Platzeck (Ex-Ministerpräsident Brandenburg) und Stanislaw Tillich (Ex-Ministerpräsident Sachsen), Industrieverbänden und Gewerkschaften auch stark in der Kommission vertreten. Vertreter*innen junger Generationen waren hingegen nicht beteiligt, obwohl sie in größtem Maße vom Klimawandel und den Folgekosten der Kohlenutzung betroffen sind. Der Altersdurchschnitt der Kommissionsmitglieder beträgt 57 Jahre, in 19 Jahren werden sie in ihrer gut abgesicherten Rente leben und wenig mit den Auswirkungen des Klimawandels zu tun haben. Auch Stimmen aus dem globalen Süden wurden nicht einbezogen – obwohl die deutsche Klimapolitik und der Kohleimport aus Ländern wie Kolumbien fatale Auswirkungen für Menschen dort hat.

Auch wenn also die Kritik groß und die Hoffnung nicht vorhanden war, ist das Ergebnis der Kohlekommission schockierend.

  • Bis 2022 sollen nur 12 GW vom Netz gehen; 5 GW Braunkohle und 7,7 GW Steinkohle.
  • Zusätzlich sind davon nur 7 GW (3GW Braun-, 4GW Steinkohle)
  • Es ist nicht verbindlich, wie schnell und in welcher Abfolge welche Kraftwerke zwischen 2022 und 2030 vom Netz gehen.
  • Das Klimaziel 2020 wird so weiterhin krachend verfehlt werden. Auch zum Pariser Klimaabkommen den globalen Temperaturanstieg auf 1,5°C zu beschränken passt der vorgeschlagenen Ausstiegspfad nicht einmal annähernd.
  • Viele Fördermittel werden gar nicht primär für den Kohleausstieg und die soziale Abfederung genutzt, sondern auch für kosmetische Maßnahmen, die die Regionen einfach nur gerne hätten.
  • Während absehbar ist, dass Kohlekraft immer unrentabler wird, können die Betreiber  sich mit Entschädigungen in Milliardenhöhe ihre Kraftwerke zum Schluss noch einmal vergolden.

Die Kommission verteilt großzügige Geschenke an diejenigen, die über Jahrzehnte Profit mit dreckiger Kohleverstromung gemacht haben, während die direkt vom Klimawandel, vom Kohleabbau und von der Kohleverbrennung betroffenen Menschen leer ausgehen. Auch der Hambacher Forst findet nur zweimal in dem Abschlussbericht Erwähnung – einmal als Randnotiz in einem Verweis über anhängige Gerichtsverfahren zur Tagebauerweiterung Hambach; und zum anderen hält "die Kommission […] es für wünschenswert, dass der Hambacher Forst erhalten bleibt“. Was aus diesem unverbindlichen "wünschenswert" wird, wenn RWE wieder seine Lobbyisten losschickt bleibt zu befürchten.

Wer jetzt sagt, schlechter Klimaschutz ist besser als keiner – wie Kai Niebert, Mitglied der Kohlekommission und Präsident des Dachverbands DNR (bei dem auch ROBIN WOOD Mitglied ist) – der irrt. Eine gescheiterte Kohlekommission wäre sinnvoller. Hätten sich zumindest die Umweltverbände der Zustimmung enthalten, dann ließe sich das Ergebnis wenigstens nicht als „Erfolg für das Klima“ verkaufen, sondern leichter als das skandalisieren was es ist: eine klare Absage an ehrgeizigen Klimaschutz. So aber bleibt nur Hannelore Wodtke, die Vertreterin aus der Lausitz, die als einzige gegen den Report gestimmt hat, ihrem Standpunkt treu.

Schon jetzt beträgt der globale Temperaturanstieg seit Beginn der Industrialisierung über ein Grad Celsius. Um eine Chance zu haben, dass in Paris verabschiedete 1,5°C-Ziel zu erreichen, muss der Treibhausgasausstoß besonders in den Industrieländern in den nächsten Jahren radikal sinken. Trotzdem ermuntert das angebliche Klimaschutzland Deutschland durch den Beschluss weitere Kohleländer, nichts zu „überstürzen“.

Jetzt liegt es an uns allen in der Klimabewegung klarzumachen: Das ist kein Konsens! Der Konflikt um das Ende der Kohle geht weiter – er ist nicht befriedet, sondern befeuert worden. Kreativ, vielfältig und entschlossen werden wir uns weiter für Klimagerechtigkeit und einen baldigen Kohleausstieg einsetzen!

In den kommenden Wochen und Monaten wird es bundesweit starken Protest geben. So ruft das Aktionsbündnis Ende Gelände zu einer Aktionswoche auf, am Freitag wird in Berlin und Hamburg protestiert, am Samstag in Leipzig demonstriert und in vielen Städten werden auch in den kommenden Wochen unter dem Titel ‚Fridays for Future‘ Schulstreiks organisiert. Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass die Bundesregierung jetzt nicht einfach zurück zur Tagesordnung übergehen kann. Der Kohleausstieg bleibt weiterhin Handarbeit. Und es sind viele Hände gefragt.

Schließt euch an, werdet kreativ, organisiert euren eigenen Protest. Ob Aktion oder Infoabend, lasst uns gemeinsam zeigen, wir bleiben dran - bis das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet ist!